Ellbogen
Seit Jahren fühlt sich die siebzehnjährige Hazal eingesperrt in ihrem täglichen Umfeld, in ihrer traditionell geprägten Familie, in der konventionelle Rollenbilder aufrechterhalten und insbesondere der Tochter wenige Freiheiten zugestanden werden. Gleichzeitig hat die junge Frau die Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz verloren - schließlich stellt kaum jemand einen Azubi mit türkischem Namen ein - und schwänzt regelmäßig den Berufsvorbereitungskurs. Stattdessen plant Hazal wochenlang ihren 18. Geburtstag, den sie heimlich mit ihren Freundinnen in einem Nachtclub verbringen möchte, doch auch dort werden sie abgewiesen. Die angestaute Wut und Frustration über die eigene Hilfslosigkeit entlädt sich schließlich in einer U-Bahn-Station, als die betrunkenen Mädchen einen Studenten verprügeln und auf die Gleise stoßen. In Panik flüchtet Hazal nach Istanbul zu ihrem Facebook-Freund, nur um abermals festzustellen, dass sie auch hier um ihr Überleben kämpfen muss. - Hazal ist keine klassische Heldin, sondern versucht innerhalb ihrer eingeschränkten Möglichkeiten, "kein Opfer zu sein", sich zu behaupten in einem Umfeld, in dem für Frauen ihrer Herkunft eine feste Rolle vorgegeben ist. Sprachlich authentisch und bewegend, jedoch nie um Mitleid bittend, vermittelt die Autorin einen Eindruck der brutalen Realität und gefühlten Machtlosigkeit der Protagonistin. Als literarisches Schlaglicht auf ein aktuelles Gesellschaftsproblem sehr zu empfehlen.
Marlene Knörr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ellbogen
Fatma Aydemir
Hanser (2017)
270 S.
fest geb.