Stadt der Feen und Wünsche
Ein Flaneur schlendert durch das heutige Berlin, ein Zweifler, der nirgends richtig dazugehört und deshalb ein genauer Beobachter des Alltäglichen und Unscheinbaren ist. Mit seiner Langsamkeit will er sich "gegen die Hast der anderen behaupten". Sein Ton schwankt zwischen Poesie, Zynismus und Melancholie. Seine romantische Beschreibung des Sonnenuntergangs am Abendhimmel steht neben der tragenden philosophischen Betrachtung über den Untergang Europas. Zwischendurch wird er belästigt durch Radfahrer mit ihrem "besserwisserischen Klingeln". Überhaupt mag er "das ganze Konzept des Fahrrads nicht, dass man ständig vorankommen muss, um nicht umzufallen". Er beobachtet andere, die sich zwischen Künstler und Möchtegern-Penner inszenieren, Kettenraucher und Trinker mit Adorno und Schopenhauer im Rucksack, und fühlt sich angewidert und angezogen zugleich von ihrer Langeweile. - Das schmale Debüt des 1985 geborenen Leander Steinkopf, der als freier Journalist für die FAZ arbeitet, fängt sehr schön den Geist eines Berlins ein, in dem man drei Tage mit Nichtstun und dem Nachhängen eigener Gedanken verbringen kann. Gegenwartsliteratur für ausgebaute Bestände.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Stadt der Feen und Wünsche
Leander Steinkopf
Hanser Berlin (2018)
110 S.
fest geb.