Die Reisen Benjamins des Dritten
Benjamin ist ein polnischer Jude, der Ende des 19. Jh. in einem abgelegenen Dorf aufwächst, lebt und heiratet. Er liebt Reiseberichte, die in ihm die Sehnsucht nach dem Heiligen Land entfachen. Nachdem die innere Angst überwunden ist, läuft er mit seinem einfältigen Freund Senderl heimlich vor ihren Ehefrauen davon. Auf ihrer fröhlichen Wanderung kehren sie abends in einem Wirtshaus ein. Im Schankraum träumt Benjamin von einer wilden Hochzeit, die, als er aufwacht, für ihn ganz real mit einem rituellen Tauchbad endet. Bettelnd und mit Gottvertrauen erreichen sie staunend die erste größere Stadt. Sie leben im Bethaus, beteiligen sich an Diskussionen, bis sie erneut vor Senderls Frau fliehen müssen. Die geplante Schiffsreise ins Heilige Land wird mehrfach geprobt. Dann werden sie jedoch von zwei wohlhabenden Juden nach Kiew und dort in ein Dampfbad eingeladen, das sich allerdings als Kaserne rausstellt ... - Der 158-seitige Text lässt sich ohne weitere Kenntnisse als witzige Geschichte lesen. Wesentlich interessanter wird sie jedoch mit Kenntnis des 126-seitigen Anhangs, den Susanne Klingenstein ihrer Neuübersetzung folgen lässt. In ihm erörtert sie das historische und literarische Umfeld sowohl des Autors als auch seiner Geschichte und eröffnet dem Leser dadurch einen vielfachen Schriftsinn. Der berechtigte Preis sollte bei Anschaffung bedacht werden. - Gerne empfohlen.
Nicole Lorrig
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Reisen Benjamins des Dritten
Scholem Jankew Abramowitsch ; herausgegeben und übersetzt von Susanne Klingenstein
Carl Hanser Verlag (2019)
285 Seiten
fest geb.