Ein simpler Eingriff
Yael Inokai wurde 1989 in Basel geboren, für ihren zweiten Roman "Mahlstrom" wurde sie mit dem Schweizer Literaturpreis 2018 ausgezeichnet. Inokais dritter Roman handelt von der Krankenschwester Meret, die seit fast einem Jahrzehnt in einem Schwesternwohnheim
wohnt, bei neurochirurgischen Eingriffen an psychiatrischen Patienten assistiert und "ihrem Doktor" zunächst vertraut. Unsicher darüber, ob hier eine Vergangenheit oder eine dystopische Zukunft kreiert wird, entsteht für die Rezensentin der Eindruck einer "futuristischen Vergangenheit", bekannt von Romanen wie "Handmaids Tale". Mit feiner, naiver Sensibilität und detailverliebt erzählt Inokai die 187 Seiten starke Geschichte dieser Pflegerin, die sich im Mitgefühl für ihre Patient/innen beinahe selbst verliert, bis sie sich in der Liebe zu einer Kollegin wiederfindet. Der Roman mutet ab diesem Geschehnis als ein kostbares Beispiel für Bücher über lesbische Frauen an. Dass sich die Autorin ganz auf die drei Hauptfiguren konzentriert und Ort, Zeit und Umstände weitgehend unbestimmt lässt, passt in gewisser Weise zu der pointierten, meisterlichen Sprache und fein verdichteten Story um weibliche Emanzipation innerhalb von Machtstrukturen im stationären Psychiatriemilieu.
Gudrun Schüler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Ein simpler Eingriff
Yael Inokai
Hanser Berlin (2022)
186 Seiten
fest geb.