Wie ein Himmel in uns

“Na? Wie würdest Du die Mona Lisa stehlen?“ Mit dieser Frage führte ihr Vater das kleine Mädchen unzählige Male in den Louvre. Als erwachsene Schriftstellerin verbringt die Französin jugoslawischer Abstammung eine Nacht allein in dieser Welt Wie ein Himmel in uns der Kunst auf der Suche nach dem toten Vater, nach einer aus Kunst erschaffenen Identität und darin, der Begegnung mit sich selbst. Die Mona Lisa wird durch die vom Diebstahl und Wiederkehr (1911-1913) geprägte Identität auch zum Sinnbild des Heimatverlustes, unter dem der Vater litt, wogleich er als Charmeur und Causeur sich in der Welt der Kunst eine zweite Heimstätte erschuf. Ist die Sprache der Kunst die wahre Sprache? Erst recht für jemand, der das Französische stets mit deutlichem südslawischem Akzent spricht. Diese Neuerfindung in der Kunst wie in der Sprache im nächtlichen Louvre nachzuvollziehen (wo niemand zuhört und die Werke nur der Taschenlampe sich zu erkennen geben), ist ein mit Scham behafteter Akt, dessen spielerische Verleugnung der Vergangenheit und der persönlichen Identität zum Ineinanderfließen der Erinnerungen, Beobachtungen und Erlebnisse der Ich-Erzählerin, ihres Vaters und anderer historischer Figuren führt. - Jakuta Alikavazovics in Frankreich preisgekröntes Buch scheint an Nabokov und Annie Ernaux geschult und verwöhnt anspruchsvolle Leser mit einer unvergleichlichen Lesenacht unter der Pyramide des wohl berühmtesten Museums der Welt. Die Lesenden mögen so ihre eigene spielerische Begegnung mit Kunst und ihrem Selbst genießen. Für jeden Kunstinteressierten, der zugleich ein Sensorium für Literatur besitzt, ein unverzichtbares Werk.

Helmut Krebs

Helmut Krebs

rezensiert für den Borromäusverein.

Wie ein Himmel in uns

Wie ein Himmel in uns

Jakuta Alikavazovic ; aus dem Französischen von Stephanie Singh
Hanser (2023)

124 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 615430
ISBN 978-3-446-27764-9
9783446277649
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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