Im Lande Uz
Der Schriftsteller Michael Köhlmeier ist vielleicht so manchem durch seine Stimme bekannt geworden, mit der er die Zuhörer rasch in die Welt antiker Sagen versetzen kann. Diese positive Aufnahme seitens des Publikums wird ihm allerdings mit seinen
neuen, oft dunklen und meist düsteren Gedichten wohl nicht gelingen. Sie führen nämlich die Leser ins Land Uz des Alten Testamentes, in dem Hiob lebt. Ihn prüft Gott mit sehr harten Schicksalsschlägen. Dorthin lenkt das lyrische Ich seine Leserschaft in drei Teilen. Der erste davon ist mit "Im Haus des Feindes, im Haus des Freundes" überschrieben und weckt schon falsche Vorstellungen; denn auch beim Freund ist von Bedrängnis die Rede. Fast jeder Text dieses schmalen Gedichtbandes handelt von der Schlechtigkeit der Welt. Deshalb wird auch sein dritter Teil mit "Landkarte eines Verbrechens" überschrieben. Aus Überreiztheit erwarten, ja ersehnen Zeitgenossen die mehrmals thematisierte Katastrophe. Diese versteht sich als die Rache Gottes, der direkt angesprochen wird, einmal auch mit Anklang an Rilkes Gedicht "Herbsttag". Meist werden Unrechts- und Untergangsbilder aneinandergereiht. Das Leben erscheint als ein "Reiten auf dem rollenden Donner", wie es am Ende des zweiten Teils, "einer Kantate zu den wüsten Jahren", heißt. Aufgereihte Fragen oder aufgelistete Aufforderungen im Stil von Bibelzitaten sprechen mit ihren Wiederholungen den Leser nachhaltig an. Als eine Ursache der Gnadenlosigkeit im Lande Uz mag, so Köhlmeier, der Verlust der Schönheit gelten, so dass das Dasein nur mehr mit Begriffen der Betriebswirtschaft zu erklären sei. Die einzelnen lyrischen Bilder werden hart und oft fremd aneinandergefügt. Sie und auch der Ton erinnern punktuell an die Bibelsprache. Die Texte sind Prosagedichte, deren Zeilen als kleine Sinnabschnitte aufgereiht werden. Obwohl in Form und Rhythmus verschieden, ergibt sich doch eine gewisse klangliche Faszination.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Im Lande Uz
Michael Köhlmeier
Hanser (2024)
93 Seiten
fest geb.