Eine Kirche für viele
90 Prozent der Kirchensteuerzahler nehmen nicht am Gemeindeleben teil, sondern zahlen für den Rest, das ist Erik Flügges Ausgangspunkt in dieser kleinen Streitschrift. Den 10 Prozent Aktiven wirft Flügge Desinteresse an den 90 Prozent vor, die für ihr Gemeindeleben zahlen. Und schlägt vor, die Kirchensteuermittel doch anders einzusetzen, nämlich für die Haustürmission. Einer Milchmädchenrechnung folgend hätten die Hauptamtlichen ausreichend Zeit, jedes kirchensteuerzahlende Kirchenmitglied der Gemeinde zu besuchen und sich mit ihm oder ihr über Gott und die Welt auszutauschen, würden die Kirchensteuern komplett für diese Art von Mitgliederbetreuung verwendet. Im zweiten Teil des Buches macht Flügge Vorschläge, wie eine Gemeinde aus eigener Kraft mehr Aufmerksamkeit den Gemeindemitgliedern widmen kann, die nicht zum aktiven Teil der Gemeinde gehören. David Holte steuert einen persönlichen Bericht über die Umstände und Gründe seines Kirchenaustritts bei. - Erik Flügge ist mit seiner Missions-Idee und dem Anspruch, den er aus seinem Kirchensteuerbeitrag ableitet, auf dem falschen Dampfer. Und trotzdem hat er Recht. Der Kirchensteuerbeitrag begründet keinen Leistungsanspruch, vielmehr begründet die Taufe einen Anspruch gegen jeden Getauften, den Hintern hochzukriegen und das Evangelium zu verkünden. Trotzdem müssen die 10 Prozent aktiven Christen ebenfalls ihren Hintern hochkriegen und sich mehr um die stillen 90 Prozent kümmern. - Auch auf die Gefahr hin, dass ein großer Teil dieser 90 Prozent damit nichts anfangen kann. Ob Hausbesuche dafür der richtige Weg sind? Das muss jede Gemeinde für sich entscheiden. - Ein streitlustiges, mit leichter Feder geschriebenes Buch, das schon deshalb lesenswert ist, weil man gar nicht anders kann, als sich an Flügges Ideen zu reiben.
Christoph Holzapfel
rezensiert für den Borromäusverein.
Eine Kirche für viele
Erik Flügge ; David Holte
Herder (2018)
78 S.
fest geb.