Kritik der digitalen Vernunft
"Ist die digitale Welt vernünftig, kann Vernunft digital sein?" - dies ist die Leitfrage, die sich der Religionspädagoge und Direktor des Tübinger Weltethos-Institutes Ulrich Hemel stellt. Wo hören die durch Digitalisierung ermöglichten Alltagserleichterungen auf und schlagen um in soziale Kontrolle, ja in Formen individueller wie gesellschaftlicher Unfreiheit? Noch fundamentaler ist die Frage, ob wir, die wir Emotionen besitzen, eine rein rationale Welt überhaupt wollen. Hemel bohrt sich gleichsam in diese unverzichtbaren Fragen hinein und stößt damit wichtige Denkprozesse an, die die an Kant erinnernde Bezeichnung "Kritik der …Vernunft" rechtfertigen. Nicht minder grundsätzlich sind die Themenbereiche, die die Problematik ausleuchten sollen: digitales Nichtwissen, Prozesse des Lernens und Entscheidens von Mensch und Maschine, digitale Identität, Arbeit und Politik sowie digitale Ethik und digitale Religion und Humanität. Auf all diesen Feldern stellt der Verfasser die Janusköpfigkeit des Digitalen heraus: Es bietet Chancen und Gefahren zugleich. So erbringt dieses Buch weder eine Apologie noch eine Verdammung des Digitalen; sein Wert liegt vielmehr darin, dass es auf die Gefahren aufmerksam macht, damit dem Verlust an Menschenwürde, an Demokratie frühzeitig Einhalt geboten werden kann; kurz, damit der Mensch noch Mensch bleiben darf. - Für Leser/-innen mit Interesse an Grundsatzfragen.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kritik der digitalen Vernunft
Ulrich Hemel
Herder (2020)
400 Seiten
fest geb.