Eine ganze Welt

Williamsburg, New York, wird von überwiegend chassidischen Juden bewohnt. Zu dieser Gemeinschaft Strenggläubiger gehört die 57-jährige Surie. Sie wird nach einer Krebstherapie schwanger und wagt es nicht, ihren Mann, einen Thoraschreiber, davon Eine ganze Welt in Kenntnis zu setzten. Eine Risikoschwangerschaft, auch für die Mutter von zehn Kindern, deren einer Sohn wegen seiner Homosexualität ums Leben kam. Als die Geburt naht, ist Surie wegen eines Feiertags allein zuhause. Sie hadert mit sich, ob sie die Hebamme per Telefon rufen darf. Sie würde lieber den Rabbi um Rat fragen. So gebiert sie ohne Hilfe; die Zwillinge sind tot. Sie will eigentlich weg, doch ihr Mann bringt sie in ihre Familie zurück. So erfährt sie nach Jahren, das auch ihr Mann von der Veranlagung des Sohnes wusste, aber schwieg. - Die Autorin selbst gehört auch der chassidischen Richtung des ultraorthodoxen Judentums an. Ihr Blick trifft genau die Ärmlichkeit, das ständige Bemühen der Frauen, die Familien zusammenzuhalten, oder auch die Ablehnung weltlicher Bildung. Wie sehr die starren Regeln die Menschen, in diesem selbstgeschaffenen Ghetto einengen, zeigt die soziale Ausgrenzung derer, die auch nur minimal von den althergebrachten Regeln abweichen. Die Angst, sonst unterzugehen, scheint für viele das Motiv am Festhalten an der jiddischen Sprache und Kleidungsitten aus dem 18./19. Jh. zu sein. Was Goldbloom schildert, könnte genauso gut in einer anderen abgeschotteten Gemeinschaft passieren, auch wenn die Tabus dort andere wären. Insoweit ist der Roman mehr als ein tiefer Einblick in die chassidische Denkweise. Dem Buch ist ein reichhaltiges Glossar angefügt.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Eine ganze Welt

Eine ganze Welt

Goldie Goldbloom ; aus dem Englischen von Anette Grube
Hoffmann und Campe (2020)

284 Seiten : Illustration
fest geb.

MedienNr.: 604477
ISBN 978-3-455-00901-9
9783455009019
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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