Die Zeit im Sommerlicht

Schweden in den 50er Jahren. Die Volksgruppe der rentierzüchtenden Samen lebt von der anderen Bevölkerung diskriminiert und weitgehend isoliert in Schweden und dem angrenzenden Norwegen. Diese Diskriminierung geht so weit, dass die Samen ihre Kinder Die Zeit im Sommerlicht in schwedische Internate geben müssen, wo man versucht, ihnen mit psychischer und physischer Gewalt ihre kulturelle Identität zu nehmen. Laestadius schildert dies ebenso anschaulich wie bedrückend an den Schicksalen einiger Kinder und Jugendlicher, die in einem Internat von der Heimleiterin Rita Olsson misshandelt werden. Da ist die zarte, kleine, aber zähe Else-Maj, die 1950 in das Heim kommt. Der sensible Jon-Ante, der von einigen Mitschülern drangsaliert wird. Dann Anne-Risten, die durch die Erziehung so traumatisiert wird, dass sie lebenslang psychosomatisch erkrankt. Die empathische Marge, die kaum ertragen kann, wie Jon-Ante gequält wird. Und Nilsa, der von seinem Großvater brutal unterdrückt wird und das damit kompensiert, dass er in der Schule zu einem infamen Schläger wird. Die Autorin erzählt auch, was aus diesen Kindern jeweils gut 30 Jahre später geworden ist. Und wie die ganzen Verletzungen wieder zutage treten, als die brutale Hausmutter Olsson wieder im Dorf erscheint und die ehemalige Erzieherin Anna, die sich liebevoll um die Kinder gekümmert hat und deshalb ihre Arbeitsstelle verlor, an Krebs stirbt. - Laestadius verarbeitet in dem Roman die Geschichte ihrer Mutter, die selbst auf einer solchen "Nomadenschule" war. Und es gelingt ihr auf ebenso authentische wie bedrückende Weise, die Diskriminierung der Samen in Schweden früher, aber auch heute noch, literarisch darzustellen. Völlig irreführend allerdings der deutsche Buchtitel (im Original: "Strafe") und das Cover einer kitschigen schwedischen Seenlandschaft. Eine harmlose Schweden-Sommer-Geschichte ist das nicht. Trotzdem: Ann-Helén Laestadius ist sicher eine der besten zeitgenössischen skandinavischen Autorinnen und dieses Buch unbedingt lesenswert!

Günter Bielemeier

Günter Bielemeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Zeit im Sommerlicht

Die Zeit im Sommerlicht

Ann-Helén Laestadius ; aus dem Schwedischen von Maike Barth und [einer weiteren]
Hoffmann und Campe (2024)

479 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 752855
ISBN 978-3-455-01708-3
9783455017083
ca. 26,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.