Unglücklich sein
Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid (*1953) spricht von einer drohenden "Diktatur des Glücks" oder einer Glückshysterie, d.h. von einer gesellschaftlich verordneten und propagierten Norm: Du musst glücklich sein, sonst lohnt sich dein Leben nicht. Im Gegensatz dazu, meint Schmid, gelte die Relativierung: Glück ist zwar wichtig und eine schöne Beigabe im Leben, aber wichtiger sind Lebenssinn und die Kunst, ihn zu finden. Er gibt dazu praktische Anleitungen und tröstende Hinweise und setzt sich mit den Schwierigkeiten und Krankheiten auseinander, die aus der Nichtbewältigung dieses Lebenssinns resultieren können: der Melancholie, der Depression und der damit oft verbunden Frage nach Selbsttötung. Das bilanzierende Kapitel heißt denn auch "Anleitung zum Leben mit dem Unglücklichsein". Es wird möglich und erträglicht durch die richtige Verwendung der sieben (!) Sinne, ausreichend Bewegung, durch enge Beziehungen zu Freunden und durch Gefühle, durch Arbeit und Gewohnheiten usw. und findet erst in der transzendenten Erfüllung sein Ziel. Die Gedanken des Philosophen sind nachvollziehbar und hilfreich und ergänzen seine ebenso erhellenden Schrift "Glück" von 2007, wenn auch sein pessimistischer Ausblick auf eine "kommende Zeit der Melancholie" (Schlusskapitel) nachdenklich stimmt. - Lektüre für nachdenkliche Zeitgenossen.
Georg Bergmeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unglücklich sein
Wilhelm Schmid
Insel-Verl. (2012)
103 S.
fest geb.
Auszeichnung: Sachbuch des Monats