Gehen. Weiter gehen
Hat man als Kind nach vielen Mühen das Gehen erlernt, verlernt man es nie mehr. Man ist froh, dorthin gehen zu können, wohin man will. Man denkt dann nicht mehr darüber nach, weil es einem vollkommen selbstverständlich geworden ist. Aber gerade diese Selbstverständlichkeit ist für den Autor ein Anlass, über die Bedeutung des Gehens für die Gesundheit, für die Wahrnehmung der Natur, der Welt, für unser ganzes Menschsein nachzudenken. Alle, die gehen, teilen ein großes Geheimnis: "das Leben dauert länger, wenn man geht. Gehen verlängert jeden Augenblick". Das scheint eine banale Erkenntnis zu sein, aber erst im Nachdenken darüber wird einem die ganze Wahrheit dieser Beobachtung bewusst. An anderer Stelle schreibt der Autor: "Gehen ist eine Mischung aus Bewegung, Demut, Gleichgewicht, Neugierde, Geruch, Geräusch, Licht, und wenn ich lang genug gehe: Sehnsucht". Wie schon in seiner früheren, sehr erfolgreichen Meditation über die Stille schafft es der Autor, in seinen Lesern ohne jeden pädagogischen oder vielleicht esoterischen Akzent das Bedürfnis nach einer Neu-Entdeckung des Alltags zu wecken. Hat man dieses sparsam, aber sehr schön bebilderte Buch gelesen, reißt es einen sofort aus dem Sessel hinaus nach draußen. Man will genau das praktizieren, was man bei der Lektüre dieses verführerischen Buches gelernt hat: das Gehen neu erleben, sich selbst und die Welt neu spüren und entdecken. (Übers.: Ulrich Sonnenberg)
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Gehen. Weiter gehen
Erling Kagge
Insel-Verl. (2018)
157 S. : Ill. (überw. farb.)
fest geb.