Mama Odessa
Die Familie des jüdischen Schriftstellers Mischa Grinbaum ist Anfang der 1970er Jahre von Odessa nach Deutschland emigriert. Ursprünglich wollte der Vater nach Israel auswandern, doch man ist in Hamburg hängengeblieben. Der Vater verlässt die kleine Familie wegen einer Deutschen, die Mischa abfällig „die Nazihure“ nennt. Nach dem Tod seiner Mutter Aljona durchforstet Mischa die Wohnung und findet Briefe, die nie abgeschickt wurden und unveröffentlichte Texte. Denn auch die Mutter hat in Deutschland angefangen zu schreiben und einen Band mit Erzählungen herausgegeben. – Maxim Biller erzählt in seinem neuen Roman fragmentarisch von Themen, die seinen Leser*innen vertraut sind. Wie bereits in „Sechs Koffer“ (BP/mp 18/931) geht es um die Liebe zur Literatur, um Familienverhältnisse, Herkunft, Ausgrenzung und den Holocaust. Er erinnert an die Ermordung Tausender Juden am Talbuchinplatz in Odessa durch rumänische Truppen und betont die Bedeutung der historischen Ereignisse für die Gegenwart. Gleichzeitig ist der Roman eine späte Annäherung eines Mannes an seine Mutter, deren Verhältnis stets zwischen Nähe und Distanz schwankte. Gerne empfohlen.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.
Mama Odessa
Maxim Biller
Kiepenheuer & Witsch (2023)
232 Seiten
fest geb.