Alte Sachen

Wie vermeidet man Klischees und Routine bei Erzählungen über den Holocaust? Ein Mittel der dritten erzählenden Zeugengeneration ist die Fiktion. Der 1980 geborene Journalist Markus Flohr hat einen Roman über jüdischen Widerstand und nationalsozialistische Alte Sachen Verfolgung in Berlin geschrieben. Das Schicksal von Otto und der jüdischen Familie Rettig, die gemeinsam in den 1930er Jahren in einer Berliner Modeschneiderei arbeiten, ist erfunden, aber exemplarisch für den Umgang mit dieser konkreten Vergangenheit. Die jüdische Konfektions-Tradition in Berlin ist heute so gut wie verschwunden. Doch die Abiturientin Rieke, so der Plot des Romans, wird neugierig auf die Familiengeschichte der Rettigs und Ottos, als sie einen ihrer Nachkommen kennenlernt, Lior, einen jungen Israeli. Anfangs eher beflissen, dann mit zusehender Spannung erzählt der Roman von zerrissenen Freundschaften, einer tragischen Liebe, von Flucht und Verfolgung - und vom Mut zum Widerstand, den es wiederum historisch in Form der "Aktion Schwedenmöbel" gab, bei der Juden, versteckt in schwedischen Möbelstücken, gerettet wurden. Die "alten Sachen", eine Fliegerjacke und ein schwedisches Gebetbuch, sind die Symbole einer erzählversessenen Erinnerung, die keine Ruhe gibt. Die Sprache der Vergangenheit liegt in den Dingen, die von ihr bleiben, wenn die Besitzer nicht mehr sind. Ein durchaus hoffnungsvolles Romandebüt.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Alte Sachen

Alte Sachen

Markus Flohr
Kindler (2016)

491 S.
fest geb.

MedienNr.: 798236
ISBN 978-3-463-40653-4
9783463406534
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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