Brüderchen
In ihrem Roman schreibt Clara Dupont-Monod über eine in einem Dorf in den französischen Cevennen lebende Familie, in die als drittes Kind nach einem Bruder und einer Schwester ein weiterer Junge geboren wird. Bald stellt sich heraus, dass er blind und motorisch stark behindert ist, weil Botenstoffe im Gehirn fehlen. Während der Bruder eine sehr enge Bindung, erfüllt von Zuneigung und Verantwortung entwickelt, schwankt die Schwester zwischen Abneigung, Eifersucht, Scham und dem Gefühl, die Familie retten zu müssen. Das vierte Kind, der "Nachgeborene" schließlich muss sich in einer Rolle zurechtfinden, die ihm viel Sensitivität und Sensibilität abverlangt. Alle drei gesunden Geschwister beschreibt die Autorin facettenreich in wundervoller Sprache als enorm starke Persönlichkeiten, die ihre Situation klarsichtig reflektieren und bewusst ihren eigenen Weg gehen. Nur manchmal hadern sie auf ihre eigene Weise mit dem Schicksal. Aus den Zeilen spricht unglaubliche Empathie und eine ruhige und poetische Art der Autorin, die direkt ins Herz geht. Zu Recht hat sie den Prix Goncourt des Lycéens 2021 verliehen bekommen. Ein berührendes, wunderbares Buch, das auch Lesern*innen ohne persönliches Erleben dieses Themas gefallen wird.
Gudrun Schüler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Brüderchen
Clara Dupont-Monod ; aus dem Französischen von Sonja Finck
Piper (2023)
173 Seiten
fest geb.