Der Schneeleopard
Mit dem Tierfotografen Vincent Munier begibt sich der Autor auf eine Reise in die eisige Bergwelt Tibets, auf den Spuren der letzten Schneeleoparden. In der Hoffnung, eines dieser wunderschönen, vom Aussterben bedrohten Tiere vor die Linse zu bekommen. Ein unermüdlich Reisender, Rastloser, Redender, wie der Autor sich selbstkritisch beschreibt, lernt angesichts der Großartigkeit der unwirtlichen Hochgebirgsregionen Demut, Geduld, Warten. Weil nur so, bei -20 bis -30°, reglos, sprachlos, tagelang auf der Lauer (vielleicht!) einer der gefleckten Jäger den Wartenden erscheinen wird. Seit sechs Jahren ist Munier den Leoparden auf den Fersen, eine Sichtung völlig ungewiss. Tesson, der zuvor bereits monatelang den Himalaya durchquerte, begibt sich jetzt auf eine Reise ins Innere seiner Selbst, philosophisch-poetisch, religiös im Angesicht der Naturgewalten. Setzt sich kritisch auseinander mit der Zerstörungswut der Menschheit, der "Epilepsie" unserer Epoche, die alles gleichzeitig will und noch mehr ... und dem ursprünglichen, einfachen Leben der tibetischen Hirten; dem Nebeneinander von tierischem und menschlichen Dasein. Begreift, dass wir alle, in unserem Streben nach immer-höher-schneller-weiter so unendlich viel verlieren - und wieviel mehr wir gewinnen, indem wir uns die Zeit nehmen, hinzuschauen - noch. Für ein anspruchsvolles Lesepublikum gern empfohlen.
Elisabeth Bachthaler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Schneeleopard
Sylvain Tesson ; aus dem Französischen von Nicola Denis
Rowohlt Hundert Augen (2021)
186 Seiten
fest geb.