Auf den Gleisen

Kann man ein Leben hinter sich lassen und ein völlig neues beginnen? Was verbindet zwei Biographien, zumal wenn es die von Vater und Sohn sind? Welche Rolle spielen Erinnerungsbilder und Hoffnungsbruchstücke dabei? Und wie wirkt sich der Scherenschnitt, Auf den Gleisen der zwei Leben trennt, aus? Der ist in dem ersten Roman der 1986 geborenen Berliner Schriftstellerin Inga Machel ein Augenblick von größter Härte: Der Ich-Erzähler bekommt von seiner Mutter zu hören, der Vater sei tot, überfahren von einem ICE mit 200 Stundenkilometern, nur ein Winterstiefel sei im Gleisbett liegen geblieben. Die Geschichte des Vaters hat zwei Teile. Im ersten erinnert sich der Erzähler an eine gespaltene Kindheit mit beschönigten Fotografien und ruppigen Episoden, mit Tränen, Lachen und fürsorglichen Ratschlägen des Vaters, der später in der Psychiatrie landet. Im zweiten Teil glaubt er, in einem obdachlosen Berliner Junkie seinen Vater wiederzuerkennen. Doch es kommt zu keiner Berührung, außer einmal auf einer Parkbank, meistens stiehlt sich der Sohn davon oder schaut weg. Auch er ist abhängig, vom Alkohol, führt ein unstetes Leben, ohne rechten Plan. Ein Vater-Roman, der ergreift, der im pathosfreien Stil überzeugt und eine stabile Storyline hat. Empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Auf den Gleisen

Auf den Gleisen

Inga Machel
Rowohlt (2024)

153 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 618022
ISBN 978-3-498-00342-5
9783498003425
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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