Kleine Geschichte des Abiturs
Man darf sich nicht vom lustigen Cover (Heinz Rühmann als Schüler Pfeiffer aus der Feuerzangenbowle) täuschen lassen! Diese "Kleine Geschichte des Abiturs" ist keine Unterhaltungslektüre, sondern eine sehr faktenreiche und informative historische Längsschnittuntersuchung, die wohl nur für einschlägig Interessierte zu empfehlen ist. "Klein" nennt der Autor seine Geschichte, weil sie sich beinahe zwangsläufig in thematischer Hinsicht beschränken muss. Immerhin ist die zum Teil höchst unterschiedliche Entwicklung in den deutschen Ländern bzw. Staaten seit 1788 zu bewältigen. Der Verfasser hilft sich, indem er für das 19. und frühe 20. Jh. vor allem die Situation in Preußen beleuchtet, nicht nur wegen der Bedeutung Preußens als größtes Land, sondern auch, weil es nach den Humboldtschen Reformen beispielgebend für ganz Deutschland wurde. Für die Zeit nach 1945 stützt er sich v.a. auf nordrheinwestfälische Quellen. Schwerpunkte der Untersuchung liegen auf folgenden Fragestellungen: Abitur als soziale Barriere, Vereinheitlichungsbemühungen auf dem Hintergrund der föderalistischen Struktur Deutschlands, Zentralabitur - ja oder nein, Zulassung von Mädchen zu höheren Schulen und zum Abitur, Veränderung der Bestandteile der Abiturprüfungen und der Curricula, Oberstufenreform und qualitative Verschiebungen, z.B. durch das Anwachsen der Schülerzahl in den letzten Jahrzehnten. Nicht nur nach 1945 gilt, dass sich der Wandel des Zeitgeistes sehr deutlich in der jeweils veränderten Gestaltung des Abiturs spiegelt und dass, trotz nie nachlassender Bemühungen um Vereinheitlichung, die deutsche Bildungslandschaft außerordentlich vielfältig und zerklüftet bleibt.
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kleine Geschichte des Abiturs
Rainer Bölling
Schöningh (2010)
211 S. : Ill., graph. Darst., Kt.
kt.