Der Scheiterhaufen

Emma hat ihre Eltern verloren und lebt in einem Waisenhaus. In dieser Zeit findet in dem ungenannten Land eine Revolution statt, bei der ein General umgebracht wird. Eines Tages holt sie die ihr unbekannte Großmutter ab. Die eigenwillige alte Frau Der Scheiterhaufen führt ein Leben, das von Ritualen geprägt ist, z.B. räumt sie aus Trauer um ihren Ehemann dessen persönliche Gegenstände nicht weg. Erinnern durch Vorhandenseinlassen ist ihr ein großes Anliegen. In der Schule muss sich Emma ihren Platz in vielen Kämpfen erobern. Immer wieder gibt es Andeutungen, ihr Großvater sei ein Spitzel gewesen. Emma erfährt auch die Geheimnisse eines Schuppens im Garten, der eng mit dem Lebenstrauma der Großmutter verbunden ist. Die Ereignisse in der nicht genannten Stadt eskalieren; es kommt zu neuen Aufständen und Racheakten. - Einiges im Roman deutet daraufhin, dass sich Dragoman auf Abläufe beim und nach dem Sturz Ceausescus in Rumänien bezieht. Ihm scheint es aber weniger um eine historische Aufarbeitung zu gehen, als vielmehr um das feine Herausarbeiten des subjektiv unmöglichen Ausweichens. Die Perspektive einer ortsunkundigen Heranwachsenden ist für diese Absicht hervorragend geeignet. Die gewählte Familiengeschichte verstärkt diesen Eindruck noch. Durch manche ins Fantastische abgleitende Episoden wird der Leser etwas irritiert, kann sich aber nicht der Botschaft des Buches verschließen, dass die Welt nicht schwarz-weiß gezeichnet werden kann, dass die "guten" Revolutionäre durchaus ihr eigenes politisches Süppchen kochen. Durchaus lesenswert. (Übers.: Lacy Kornitzer)

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Scheiterhaufen

Der Scheiterhaufen

György Dragomán
Suhrkamp (2015)

494 S.
fest geb.

MedienNr.: 583618
ISBN 978-3-518-42498-8
9783518424988
ca. 24,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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