Die Welt im Selfie
Pilger, Reisende, Weltenbummler gab es zu allen Zeiten. Neu hingegen sind der extreme Massentourismus und seine große ökonomische Bedeutung. Für den Autor dieser Studie ist der Tourismus sogar die "wichtigste Industrie des Jahrhunderts". Für einige Länder in den Sonnenregionen der Welt und auch für Städte wie Venedig, Florenz, Heidelberg oder Las Vegas mag das zutreffen, aber ob diese These auch für alle Weltgegenden gilt, mag dahingestellt bleiben. Überhaupt ist das Buch mit vielen vorschnell verallgemeinerten Thesen und unendlich vielen einschlägigen Zitaten aus literarischen, sozialwissenschaftlichen und kulturkritischen Werken überladen. Die leitende Fragestellung aber ist gerade in den Monaten der touristischen Hochsaison aktuell und sehr zur Lektüre motivierend: Warum gelingt es der Tourismusindustrie, den Reiseagenturen und den lokalen Eventmanagern so leicht, Massen von Menschen jedes Jahr - und jedes Jahr mehr - von einem touristischen Highlight zum anderen zu schleusen? Was suchen Touristen, wenn sie die oft strapaziösen Reisen in ferne Länder und in von anderen Touristen überlaufenden Sehnsuchtsorte auf sich nehmen? Den Wunsch, durch das Reisen seinen kulturellen Horizont zu erweitern, wird man auch nach der Lektüre des Buches beibehalten. Aber dem Autor gelingt es, den Leser empfindlicher und kritischer gegenüber manchen Phänomenen des Massentourismus zu machen.
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Welt im Selfie
Marco D'Eramo
Suhrkamp (2018)
362 S.
fest geb.