Frei
Lea Ypi wächst in Albanien auf. Sie ist zehn, als die Berliner Mauer fällt und sich auch in ihrer Heimat grundlegende Veränderungen anbahnen. Sie wächst in der Geborgenheit ihrer Familie auf, zu der auch die mit ihr Französisch sprechende Großmutter Nini gehört. Von ihrer verehrten Lehrerin Nora lernt sie die Geschichte Albaniens kennen, auch dass mutige Partisanen das Land von den Faschisten befreit hätten. Ypi findet es schade, dass sie nie Fotos von patriotischen Vorfahren mit in die Schule bringen kann, sondern immer erklären muss, dass der Faschist Xhafer Ypi nur ein zufälliger Namensvetter von ihnen sei. Erst später wird ihr klar, dass es sich tatsächlich um ihren Urgroßvater handelte. Weitere Erkenntnisse folgen. Eines Tages taucht der Großvater auf; er habe endlich seinen Abschluss gemacht. Nach und nach erfährt sie, dass immer, wenn von Studienaufenthalten die Rede war, das Gefängnis gemeint war. - Das alles wird aus der naiven Kindersicht erzählt - und diese Perspektive funktioniert tatsächlich hervorragend. Die Philosophin Lea Ypi (Jg. 1979) setzt mit ihrer autobiografischen Geschichte ihrer Großmutter Nini ein Denkmal. Eine genussvoll zu lesende Geschichtsstunde über ein Land, das die wenigsten Leser/-innen wohl genauer kennen.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Frei
Lea Ypi ; aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp (2022)
332 Seiten
fest geb.