Tao

Der Autor, Jahrgang 1986, fasst in dem mit autobiografischen Zügen versehenen Roman die Fremdheit und Suche nach Heimat in die charmante, lakonisch nüchtern beschriebene Geschichte von Tobi/Tao/Alex. Das Unterwegssein zu Identität und Fiktion, zur Tao Heimat des Vaters in Hongkong, Schreibversuch einer Erzählung mit einem Protagonisten namens Alex (Alter Ego), dazwischen die Reflexionen auf die Zeit mit seiner Freundin Miriam, die ihn verlassen hat, und die Gespräche mit seinem Freund schieben sich in dem Buch zu dem Panorama eines jungen Menschen zusammen, der vielleicht aufgrund seiner asiatischen Wurzeln nicht so aussieht wie die anderen, der aber genauso wie alle seiner Generation nach Anerkennung und einem Platz im Leben trachtet. Er macht sich auf die Suche nach der Geschichte seines Vaters, der in Hongkong starb, sieht dort im Fernsehen die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei und stellt sich vergeblich vor, die Polizei möge ihn für einen Aktivisten halten und verhaften. Sehnsucht, dass irgendwas Einschneidendes passiert, dass ein geheimes, wahres Ich aufgedeckt würde. Aber an diesem Ort des vermeintlichen Ursprungs sind nur Shoppingmalls, künstlich vermittelte Naturerlebnisse und Gerichte, bei denen er bloß hoffen darf, dass sie vegetarisch seien. Nüchtern und doch mit gewisser Anmut erzählt hier einer in seinem zweiten Roman aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus. Vielleicht ein wenig zu sehr dem Spiel zwischen narrativen Welten aus Fiktion und Bericht hingegeben, immer aber unterhaltsam, aufrichtig und mit bewundernswerter Distanzwahrung zu Rührseligkeit wie Kunst-Attitüde. Allen Liebhaber/-innen literarisch guter Gegenwarts-Texte zu empfehlen.

Helmut Krebs

Helmut Krebs

rezensiert für den Borromäusverein.

Tao

Tao

Yannic Han Biao Federer
Suhrkamp (2022)

1889 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 610081
ISBN 978-3-518-43052-1
9783518430521
ca. 23,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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