Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten

Maria lebt ein Leben, das von außen betrachtet im Lot und wie gesellschaftlich erwartet und damit zufriedenstellend erscheint. Jedoch beschreibt die russlanddeutsche Autorin in ihrem Roman das Dasein der Protagonistin in einem einzigen inneren Monolog Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten Marias als verwundet, verunsichert und irrend. Maria ist für ein paar Tage dem Familienleben mit fürsorglichem Mann und zwei kleineren Kindern nach Berlin zu einem Übersetzerseminar entkommen und sitzt in einem Hotelzimmer, wo ihre Gedanken einsetzen. Das Reflektieren ihrer Mutterschaft, deren physische Verletzungen der Geburt als Metapher für eine seelische Verletzung und leidende Selbstaufgabe stehen, führen zum Verlust und Bedrohung ihrer Persönlichkeit. Ein zweiter Strang windet sich um die Übersetzungsarbeit von Briefen eines in den späten 20er Jahren des 20. Jh. emigrierten Mannes an seine in Deutschland zurückgebliebene Mary. Maria beantwortet nun die Briefe an Stelle Marys und schafft Analogien zu ihrer polnisch-jüdischen Herkunft und den Preisungen einer Auswanderung in ein besseres Land. Prophetisch und politisch wird nun deutsche Realität beschrieben, in der es Maria geboten scheint, den alten Rat der stets gepackten Koffer angesichts rechtsgesinnter Wahlplakate, die die bundesdeutschen Straßen säumen, stets parat zu haben. Die politisch gesellschaftliche Dimension wechselt sich mit der alltäglich gesellschaftlichen ab, in der das absurd verwöhnte Kindsein überambitionierter Mütter im Land mit dem der polnischen Heimat verglichen wird. In allem formuliert die Autorin radikal und widerstrebend. Ihr Text ist gut lesbar, dabei aber kunstvoll und mit Sinn für Ungesagtes, wo der Leser gefordert ist. Hoffnung und Zuversicht wechseln sich mit Frustration und Verzweiflung ab und zeichnen wohl so das Leben. Ein Roman über Frauenleben in verschiedenen Ländern und Generationen.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten

Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten

Slata Roschal
claassen (2024)

170 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 618898
ISBN 978-3-546-10076-2
9783546100762
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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