Die wahre Geschichte von Regen und Sturm
Ruth liebt Homophone - Wörter, die gleich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben - und führt darüber akribisch Listen. Elementar und unbedingt notwendig ist die Einhaltung von Regeln, geringste Abweichungen von normaler Routine gefährden ihr inneres Gleichgewicht: Ruth ist Autistin, lebt mit ihrem überforderten Vater und dem geliebten Hund "Regen" zusammen. Die Mutter hat die Familie angeblich verlassen, weil sie es nicht ausgehalten hat; in Wirklichkeit ist sie verstorben. In einem verheerenden Sturm geht Regen verloren, weil der Vater sie unachtsam vor die Tür ließ. Tatsächlich gelingt es Ruth mit einem ausgeklügelten Plan und mit Hilfe ihres Onkels, Regen in einem Tierheim zu finden. Allerdings muss sie so erfahren, dass ihr geliebter Hund andere Besitzer hat. - Eine ganz besondere Hauptfigur, eine mitreißende Geschichte und eine außergewöhnliche Erzählweise: es ließen sich noch weitere begeisterte Attribute aufzählen! Die Ich-Erzählerin schildert in lapidarem Ton ihr Leben in der Schule, mit dem überforderten Vater und den zweien, denen sie am meisten verbunden ist, Regen und Onkel Weldon. Anfangs ist die monotone Art und Weise des Erzählens gewöhnungsbedürftig und die ausführliche und wiederholte Darstellung der Listen mühsam, doch dann entwickelt die Geschichte einen seltenen Zauber. Die innere Größe, die die Hauptfigur zeigt, als sie ihre geliebte Hündin den ursprünglichen Besitzern zuspricht, ihre Verletzheit, weil sie von ihrem Vater hintergangen wurde, sowie ihr zartes Aufblühen bei ihrem Onkel sind nachhaltig beeindruckende Lese-Erfahrungen. - So sind dieser Geschichte viele Leserinnen und Leser, Kinder wie Erwachsene zu wünschen.
Astrid Frey
rezensiert für den Borromäusverein.
Die wahre Geschichte von Regen und Sturm
Ann M. Martin
Königskinder-Verl. (2015)
238 S.
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 11