Friedhof der Unschuldigen

Sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlich interessierte Leser werden bei diesem außerordentlich detail- und kenntnisreich erzählten historischen Roman des mehrfach preisgekrönten britischen Autors auf ihre Kosten kommen, sofern sie sich nicht von Friedhof der Unschuldigen dem gruselig-makabren Geschehen (das auf einen historischen Kern zurückgeht) abschrecken lassen. Am Vorabend der Französischen Revolution erhält nämlich der junge Ingenieur Jean-Baptist Baratte den ministeriellen Auftrag, den jahrhundertealten, hoffnungslos überfüllten Pariser "Friedhof der Unschuldigen" aufzulösen. Tausende von Gebeinen müssen aus bis zu 16 Meter tiefen Massengräbern der "alten menschenfressenden Erde" (S. 375) entrissen und umgebettet werden, weil die üblen Ausdünstungen die Stadt langsam vergiften. Die Auflösung des Friedhofs - einschließlich der Zerstörung der alten Kirche - stellt nicht nur den Ingenieur vor außerordentliche technische Probleme, sondern ist auch mit enormen psychischen Belastungen verbunden. Bei vielen Anwohnern löst das Projekt Verzweiflung und erbitterten Widerstand aus, von anderen hingegen wird es als Symbol für den Anbruch einer neuen Zeit, als das "Todesröcheln des Ancien Regime" gefeiert. Brillant erzählt, dennoch sicher keine Lektüre für zartbesaitete Gemüter!

Friedhof der Unschuldigen

Friedhof der Unschuldigen

Andrew Miller
Zsolnay (2013)

380 S.
fest geb.

MedienNr.: 385417
ISBN 978-3-552-05644-2
9783552056442
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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