Die Jahreszeiten der Ewigkeit

Seit vielen Jahren schon schreibt der Autor Aufzeichnungen, die weder einem Tagebuch gleichen noch thematisch geordnete kleine zeitgeschichtliche Essais sind. Oft versucht er eigene Stimmungen und Gefühle in einen größeren historischen Kontext zu Die Jahreszeiten der Ewigkeit stellen. Dann wieder räsoniert er über Phänomene der Alltagskultur, die ihm beim Lesen von Tageszeitungen oder vor dem TV-Bildschirm auffallen. Besonders gut gelingen ihm immer Erinnerungen an Verstorbene, die "zu unbedeutend" für die große mediale Öffentlichkeit sind. Wem zum Beispiel sagt der Name Alexandr Kojève etwas? "Er stammte aus einer reichen russischen Familie, emigrierte während der bolschewistischen Revolution, verlor in Frankreich sein ganzes Vermögen, schlug sich in Paris als Vortragender auf Volkshochschulkursen durch". Radikal stellt sich der Autor auch seinen eigenen "linken" Illusionen, die ihm für Jahrzehnte einen ideologischen Kompass gegeben haben. "Heute hält sich für links, wer eine Abneigung gegen die Verlierer hegt. Die verachtet er wegen der Abneigung, die sie gegen Flüchtlinge, Schwule, Kopftuchträgerinnen hegen." Und während viele heute abstrakt und persönlich vollkommen folgenlos für Europa schwärmen und auf die Straße gehen, erinnert der Autor immer wieder an die Verlierer einer rein monetären Idee von Europa. Die Nationalisten und fremdenfeindlichen Populisten jedoch sind ihm noch ferner und abstoßender. Diesen Aufzeichnungen eines im besten Sinne unabhängigen, nonkonformistischen und dabei immer auch selbstkritischen Autors wünscht man viele Leserinnen und Leser.

Carl Wilhelm Macke

Carl Wilhelm Macke

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Jahreszeiten der Ewigkeit

Die Jahreszeiten der Ewigkeit

Karl-Markus Gauß
Paul Zsolnay Verlag (2022)

312 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 750109
ISBN 978-3-552-07276-3
9783552072763
ca. 25,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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