Golden House
Im Erzählen verbindet Salman Rushdie orientalische Ausschweifungen mit dem Realismus des Westens. Davon zeugen 12 Romane. Der neue, "Golden House", führt nach New York. Ein indischer Einwanderer, dessen Frau bei einem islamistischen Attentat starb, kommt mit seinen drei Söhnen und einer neuen Frau, einer jungen sibirischen Kunstturnerin, zu scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten an Geld und Einfluss. Dieser realistische Kern ist umringt von einer Hiobsgeschichte, die zwischen bösem Märchen und Thriller schillert. Der Held verliert seine Söhne, seine mafiöse Vergangenheit wird aufgedeckt, am Ende steht ein vernichtendes Feuer. Salman Rushdie hat wie immer viel Bildungswissen in den Roman investiert und seine Figuren an symbolische Namen gekettet. Der Held heißt Nero Julius Golden, der jüngste der Söhne Dionysos. Es treten auf Barack Obama, mit dessen Amtseinführung der Roman beginnt, und der amtierende US-Präsident, der gegen Romanende als "Joker" aus den Batman-Comics aufkreuzt. Erzählt wird das Ganze aus der Sicht eines Nachbarn der Goldens, eines aufstrebenden Drehbuchautors. Man liest den Roman mit gemischtem Vergnügen, manchmal ist die Bühne zu voll, die Anspielungsdichte zu hoch (Dostojewski, Thomas Mann und der klassische Kanon) und die Symbolik zu dick aufgetragen. Von Ethik und Religion wird auch erzählt, und das auf spannende Weise: Was ist das Gegenteil eines guten Lebens? Wieso setzt sich das Richtige, das zu tun ist, gegen das, was wir eigentlich tun möchten, durch? Woran ist Wahrheit schuld? Und ist postfaktisches Erzählen plebejisch? Ein einfallsreicher und bildungsschwerer Roman über die westlichen Werte und die Moral des Geldes, ein spannender "Spottumentar"-Roman (so die fabelhafte Übersetzerin Sabine Herting). Empfehlenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Golden House
Salman Rushdie
Bertelsmann (2017)
511 S.
fest geb.