Spes heißt Hoffnung
Paul ist Journalist, war mit Mirjam zusammen und neidisch auf ihren scharfen Verstand. Mirjam ist meistens als Krisenreporterin mit ihrem Fotografen Bela unterwegs. Achura, ihre Lebensgefährtin, eine aufstrebende Jung-Politikerin, scheitert gerade an ihrem übertriebenen Ehrgeiz. Paul stürzt ab, als herauskommt, dass seine Reportagen durch seinen Einfallsreichtum aufgepeppt wurden. Spes ist ein Schmetterlingskind mit offener Haut, die täglich in Verbände eingewickelt werden muss. Sie fantasiert über ihre Schmerzzustände als Feuervogel und träumt von der Verwandlung in einen Schmetterling. Die Perspektive dieses Romans wechselt von Kapitel zu Kapitel. Alle Protagonisten zeigen abnorme Erlebnisse und Erfahrungen eines gesteigerten subjektiven Bedeutungsbewusstseins. Stress im Job, Privatleben, Erlebnisse und Erinnerungen lösen Störungen im Realitäts-, Selbstbezug und Sozialverhalten aus. Die Schilderung von Einsamkeit, Enttäuschung, Verschrobenheiten ist faszinierend. Sprachlich besonders guter Stil und Wortwahl, ohne große Spannung. Erst angedeutet, im Verlauf des Romans immer häufiger, setzt die Autorin den drei scheiternden Erwachsenen die zehnjährige, durch Epidermolysis bullosa (genetischer Defekt von Haut und Schleimhäuten) gezeichnete Spes entgegen. Ein Kind ohne Schulanbindung, mit geschundener Haut und Schmerzen hat es geschafft, seinem Alleinsein und den wechselnden Stimmungen mit kindlicher Selbstliebe zu trotzen. Auf wunderbare Art, aller seelischen und körperlichen Verletzlichkeit zum Trotz, schafft sie sich eine zauberhafte Fantasiewelt. Diese Selbstliebe kennen Paul, Miriam und Achura nicht. Die Autorin entlässt die Figuren ins Offene, gibt der Leserschaft aber Grund zur Hoffnung, dass alles gut wird.
Gudrun Schüler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Spes heißt Hoffnung
Amanda Lasker-Berlin
Frankfurter Verlagsanstalt (2022)
250 Seiten
fest geb.