Wir in Kahlenbeck

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Roman in dem Milieu eines Schulinternats angesiedelt ist. Seit den "Verwirrungen des Zöglings Törless" von Robert Musil gab es in jeder neuen Generation Schriftsteller, die ihre oft autobiografischen Erfahrungen Wir in Kahlenbeck in einem Internat in literarisch verarbeitet haben. In dieser Tradition ist auch "Wir in Kahlenbeck" von Christoph Peters einzuordnen. Carl, der Protagonist des Romans, ist Schüler in einem Internat "irgendwo am Niederrhein". Der zeitliche Rahmen der Geschichte bleibt ebenso unbestimmt. Irgendwann in den frühen achtziger Jahren des 20. Jh. wird man das Geschehen anordnen können. Aber so schrecklich viel geschieht eigentlich nicht auf den über 500 Seiten. Die Internatsschüler erleben jede Menge moralische und religiöse Anfeindungen, werden von dem geistlichen Hauspersonal oft mit fragwürdigen, manchmal auch durchaus bösartigen Erziehungsmethoden traktiert und gehen auch untereinander nicht immer im Sinne christlicher Nächstenliebe miteinander um. Die für das Treibhausklima eines Jungen-Internats durchaus typischen erotischen Verlockungen, sei es von Mitschülern, sei es vom weiblichen Küchenpersonal, sind über viele Seiten hinweg eine Art Basso Continuo des Romans. Im Verlaufe des üppig ausgewälzten Romans wird aber alles immer monotoner: die Bloßstellung der weltfremd herumtapsenden, manchmal auch laut aggressiven Internatsführung genauso wie die minutiös geschilderten erotischen Annäherungen der Schüler. Gut gelungen sind dem Autor eigentlich nur die Schilderungen pubertärer Ängste, Hemmungen und Begierden. Davon abgesehen hat man schon mal literarisch interessantere und inhaltlich bewegendere Internats-Romane gelesen. Und zu lachen gibt es, entgegen der Verlagsankündigung, auch nicht sonderlich viel. Nur gähnt man oft und sehnt sich ein baldiges Ende der Internatszeit des Zöglings Carl herbei.

Carl Wilhelm Macke

Carl Wilhelm Macke

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Wir in Kahlenbeck

Wir in Kahlenbeck

Christoph Peters
Luchterhand (2012)

506 S.
fest geb.

MedienNr.: 366126
ISBN 978-3-630-87321-3
9783630873213
ca. 22,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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