Tolstois Albtraum

Lew N. Tolstoi (1828 - 1910), Altmeister der klassischen russischen Literatur, ein als Graf T. agierender Abenteurer? Der literarische Einfall des 1962 in Moskau geborenen Autors ist ebenso respektlos wie bizarr. Nicht nur formal an die magisch-realistische Tolstois Albtraum Erzählkunst seines Landsmannes Michail Bulgakow (1891-1940) anknüpfend, erweist sich auch Viktor Pelewin als kluger Kritiker des vom Zeitgeist geprägten Kulturbetriebs. So ist Graf T. das literarische Produkt eines profitorientierten Teams, das unter der Regie des ständig sein Outfit verändernden Ariels absurde Medienwünsche bedient. Für die Entscheidung, welche Hindernisse der Protagonist überwindet und mit wem er sich duelliert, sind die Ergebnisse der Meinungsforschungsinstitute ausschlaggebend. Da Graf T. als Folge eines in die Handlung eingebauten Fluchtversuchs seine Erinnerung verloren hat, ist er auf der Suche nach der eigenen Identität. Damit zusammenhängend beginnt er, Manipulationen zu durchschauen, die auf sein Verhalten Einfluss nehmen. - Wenn der russische Schriftsteller im symbolbeladenen, hervorragend übersetzten Roman Graf T. schließlich als authentischen Lew N. Tolstoi erwachen lässt, hat dieser einen bösen Albtraum überwunden. Indem Viktor Pelewin Magisch-Mystisches und Reales zusammenführt, entsteht ein anspruchsvolles literarisches Kunstwerk. Darüber hinaus ermuntert er seine Leser, sich mit durch Manipulation erzeugten Scheinwelten kritisch auseinanderzusetzen. (Übers.: Dorothea Trottenberg)

Kirsten Sturm

Kirsten Sturm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Tolstois Albtraum

Tolstois Albtraum

Viktor Pelewin
Luchterhand (2013)

447 S.
fest geb.

MedienNr.: 377207
ISBN 978-3-630-87388-6
9783630873886
ca. 21,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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