Flugschnee
Die Studentin Lucy und ihre getrennt lebenden Eltern sorgen sich um Simon, Lucys Bruder, der verschwunden ist. Diese Krise fördert bei Lucy Erinnerungen an Ungereimtheiten, Brüche und ein unheimliches Kindheitserlebnis im Haus der Großeltern zutage, das 20 Jahre zurückliegt. Alles konzentriert sich auf einen Tag in der Weihnachtszeit, an dem ungewohnt heftiger Schneefall alles zudeckt, Geräusche erstickt und Spuren verweht. Während Lucy in Gesprächen mit den Eltern und den Freunden des Bruders Hinweise auf dessen Verbleib zu finden hofft, kreisen ihre Gedanken fieberhaft um Andeutungen, die er in den letzten Gesprächen gemacht hat. Auch ihr eigenes Leben droht ihr zu entgleiten. - Der raffiniert auf die Schlüsselszene hin komponierte Roman zeigt an dieser Familie, wie Verschwiegenes, ein unter der Decke gehaltenes Familiengeheimnis alle Beteiligten bis in die Enkelgeneration darin hindert, zu sich zu finden und sich zu entfalten. - Die Autorin ist auch als Lyrikerin bekannt. Gekonnt setzt sie ihre poetischen Mittel ein, um diese Geschichte mit der nötigen Intensität und der gebotenen Sensibilität zu erzählen. Der Roman fordert aber auch die Bereitschaft, sich auf die Sprache und die stark ineinander verschachtelten verschiedenen Zeitebenen einzulassen.
Gabie Hafner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Flugschnee
Birgit Müller-Wieland
O. Müller (2017)
343 S.
fest geb.