Von der Buntheit der Krähen
Ein Dorf, eines, wie es wohl viele in ihrer Kindheit und Jugend erlebt haben: Jeder kennt jeden, alles Fremde wird mit Argwohn beäugt und betratscht. Thomas und Karl, die beiden Protagonisten, sind dieser Enge aus ganz unterschiedlichen Gründen entflohen und kehren doch nach vielen Jahren zurück. Thomas, ein bekannter Musikkritiker, ist völlig ausgebrannt und braucht eine Auszeit, wohl auch von seiner Tablettensucht. Er mietet sich ein kleines Haus etwas außerhalb, aber die erhoffte Ruhe findet er nicht, denn Erinnerung und Gegenwart quälen ihn. Ganz anders Karl, der immer schon ein Außenseiter war: Er, der schon zweimal gewalttätig wurde und im Gefängnis saß, kehrt zurück, um sich und sein Selbst zu behaupten und darzustellen. Er ist transsexuell und präsentiert sich nun als eine merkwürdig schillernde "Sissi". - Es ist schwer, diesen Roman in all seinen Facetten -, in all seinem Gedankenreichtum, in all den geschilderten Eindrücken von Menschen und Natur (natürlich spielen dabei Krähen auch eine gewisse metaphorische Rolle!) angemessen zu rezensieren. Ich möchte ganz offen sagen, dass mich dieses Buch zwar berührte, aber gleichzeitig auch in seinen sprachlich gewiss bemerkenswerten Beschreibungen erschöpfte. Freilich, Dietmar Krug ist ein bekannter Autor, sein Roman wurde schon ausführlich besprochen und als beachtenswert eingestuft. Ich würde ihn aber nur einer literarisch interessierten, offenen Leserschaft empfehlen.
Barbara Nüsgen-Schäfer
rezensiert für den Borromäusverein.
Von der Buntheit der Krähen
Dietmar Krug
Otto Müller Verlag (2020)
402 Seiten
fest geb.