Der Wein des Vergessens
Mehr als 70 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur, in deren verbrecherische Machenschaften gerade auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen - hier die Winzergenossenschaft Krems - verwickelt waren, zeigt dieser dokumentarische Roman in eindringlicher Weise, wie statt Auseinandersetzung und Aufarbeitung nur Verschleierung und Verdrängung betrieben wurden - und das bis heute. Die beiden Historiker Bernhard Herrman und Robert Streibel decken nun die noch immer verschwiegene Tatsache auf, dass die hochprämierte "Winzer Krems" durch die Arisierung eines jüdischen Weinguts gegründet wurde. Die "Sandgrube", im Besitz des wohlhabenden jüdischen Geschäftsmannes Paul Robitschek und August Rieger (stiller Teilhaber), ist das Wunschobjekt der noch illegal operierenden Nazi-Winzer. Der Versuch Robitscheks, das Weingut nach dem Anschluss Österreichs und aufgrund antisemitischer Hetze an den "arischen" Rieger zu verkaufen, scheitert am Einfluss der dominierenden NSDAP-Funktionäre. Vernichtend kommt hinzu, dass Robitschek und Rieger nicht nur Geschäftspartner sind, sondern auch ein Liebespaar - und Homosexualität wird strafrechtlich geahndet. Denunziation, Haft und Verleumdung begleiten den weiteren Weg Riegers, während Robitschek nach Venezuela fliehen kann. Trotz Tagebuchaufzeichnungen, Briefen sowie Gerichtsakten ist das Buch ein Roman, der Realität und Fiktion vermischt, aber durch die Fakten eine unbequeme Wahrheit aufzeigt, die man noch immer nicht wahrhaben will. - Für alle Büchereien wärmstens zu empfehlen!
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Wein des Vergessens
Bernhard Herrman ; Robert Streibel
Residenz-Verl. (2018)
251, [24] S. : Ill.
fest geb.