Zwischen zwei Wassern
Ein Paar verbringt seine Ferien in der Bretagne am Kap Finistère, am 'zornigen Kopf der Welt'. Beim Muschelsuchen auf den Granitfelsen steigt überraschend eine gewaltige Welle auf und reißt die Frau in den Tod, der Mann überlebt schwer verletzt. Ein Jahr später kommt er zurück ans Kap, er kann den Verlust der geliebten Freundin nicht akzeptieren. In Bildern hält er Rückschau, erinnert sich anhand von Fotos an Situationen mit Véro. Um die Gesichtslosigkeit dieses Todes zu überwinden, zerreißt er die Fotos und übergibt sie dem Meer, ruft Abschiedssätze in das Blau des Himmels und des Wassers, schichtet Tag für Tag Steine auf ein Häufchen, all dies, um mit kleinen Schritten eine Zukunft ohne Véro zu erobern. Max, der Freund, der hier am Kap als Bildhauer lebt, versucht zu helfen. Die Konfrontation mit dem, was gewesen ist, mit den Erinnerungen an diese ungewöhnliche, überaus geliebte Frau, aber auch die Konfrontation mit der Zukunft, die es nicht geben würde und nicht zuletzt die direkte Konfrontation mit dem Element 'Meer' bringen Erleichterung und die Aussicht, die eigene Rettung annehmen zu können. Am Ende steht dann nicht mehr das unbedingte Verstehen-wollen, sondern die heilsame Annahme des Nicht-verstehen-Könnens.- Dieser intensive Roman berührt nicht nur durch die Tragik und Dramatik der Geschichte, sondern auch durch die Wortgewalt, mit der die Bilder heraufbeschworen werden. In immer neuen Sätzen umkreist der Ich-Erzähler seine Erinnerungen und das Unglück, sucht einen Weg, eine Möglichkeit, es zu bewältigen. Gleichzeitig erzählt er in intensiven Bildern von seinem Freund Max und von den Menschen am Kap. Bei allen Überlegungen geht es um Schuld und Verantwortung, um Wahrscheinlichkeit, Zufall und Schicksal und letztlich um die Unberechenbarkeit der Natur. Großartig und lesenswert!
Zwischen zwei Wassern
Andreas Neeser
Haymon (2014)
177 S.
fest geb.
Auszeichnung: Roman des Monats