Frau Müller hat nicht die Absicht, mehr zu bezahlen
Die Ukrainerin Chrystyna lebt und arbeitet illegal in Berlin. Eines Morgens liest sie ungläubig in der Zeitung vom Tod ihrer Freundin Solomija. Die ebenfalls illegale Migrantin soll durch einen Sturz aus dem Fenster gestorben sein, nachdem sie die alte Frau vergiftet hat, die sie pflegte. Chrystynas Arbeitstag ist daraufhin angefüllt mit intensiven und weit schweifenden Erinnerungen an die gemeinsam verbrachte Zeit. Solomija und sie arbeiteten als Musiklehrerinnen in der Ukraine. Als ihre Schule in Lwiw geschlossen wird, beschließt Chrystyna, das Land zu verlassen, um das Leben zu genießen. Sie reist über Polen nach Berlin, lernt dort Eva kennen und bleibt. Solomija folgt ein Jahr später nach. Chrystyna erlebt mit den beiden Frauen eine intensive freundschaftliche und auch sexuelle Beziehung. - Freiheraus und manchmal philosophisch setzt sich Chrystyna mit ihrem Leben auseinander und spart dabei auch ihre Homosexualität und ihre sexuellen Erfahrungen nicht aus. Diese Passagen muss man vor dem Hintergrund lesen, dass homosexuelle Beziehungen in der Ukraine nach wie vor gesellschaftlich geächtet sind. Die Autorin Natalka Sniadanko führt den Leser ausdrucksstark und ungeschminkt von einer fantastischen Erzählung zur anderen, wobei vor allem zu Beginn die zeitlichen und thematischen Sprünge irritieren. Der Roman präsentiert eine Stimme der zeitgenössischen ukrainischen Literatur und gibt einen Einblick in die Situation osteuropäischer Migranten in Deutschland. Insgesamt keine einfache Lektüre, eher geeignet für versierte Leser. (Übers.: Lydia Nagel)
Gabriele Berberich
rezensiert für den Borromäusverein.
Frau Müller hat nicht die Absicht, mehr zu bezahlen
Natalka Sniadanko
Haymon (2016)
343 S.
fest geb.