Lesereise Vietnam
Die Autorin nähert sich in persönlich gehaltenen Reportagen einem Land, das in einem Prozess des rasanten Wandels steckt. Konzeptuell reizvoll werden die Texte jeweils einer bedeutsamen Konstante für Alltag und Gesellschaft in Vietnam zugeordnet: Kultur, Krieg, Kommunismus und Kommerz. In dieser Begriffsreihe stecken auf den ersten Blick einige Widersprüche. Es gelingt der Autorin, diese herauszuarbeiten, ohne dabei vorschnell Urteile zu fällen. Elle Macchietto della Rossa kennt Vietnam aus zahlreichen Aufenthalten in den 1990er Jahren, ehe sie 2012 für einen längeren Zeitraum zurückkehrte. Sie stellt die Zentren Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt vor und erläutert die Mentalitätsunterschiede, die lange nach Ende des Krieges noch anhalten. Sie beschreibt eine spezielle Arbeitsteilung, die bis heute auf dem Land eingehalten wird, wo Dörfer für die Herstellung jeweils eines Produktes zuständig sind. Unternehmerische Chancen und Grenzen der Meinungsfreiheit werden anhand einzelner Personen verdeutlicht: Hier ist es eine Köchin aus einfachsten Verhältnissen, die zur Besitzerin einer Restaurantkette wird, dort eine international erfolgreiche Schriftstellerin, deren Romane zuhause nicht verlegt werden dürfen. Mehrere Texte beschäftigen sich mit der Lage der ethnischen Minderheiten: An ihnen erkennt man die kulturelle Vielfalt des Landes, die jedoch von den Mehrheits-Vietnamesen oftmals weder gewürdigt noch befördert wird. - Für politisch interessierte und reiselustige Bibliotheks-Nutzer/innen.
Thomas Völkner
rezensiert für den Borromäusverein.
Lesereise Vietnam
Elle Macchietto della Rossa
Picus-Verl. (2014)
131 S.
fest geb.