Von Zeit und Fluss

Auch in seinem zweiten Roman, der an seinen ersten "Schau heimwärts, Engel" direkt anschließt, zieht sich die eigene Biografie von Thomas Wolfe (1900-1938), dem wohl bedeutendsten Vertreter des amerikanischen Realismus, wie ein roter Faden durch das umfangreiche Werk und bietet dem Leser dadurch tiefe Einblicke sowohl in den Reifungsprozess des Autors selbst wie auch in die amerikanische Kultur und Gesellschaft im ersten Viertel des 20. Jh. Anschaulich, nüchtern, breit und präzise, manchmal auch pathetisch, durch mythologische und philosophische Bezüge (50-seitiger Kommentar) nicht leicht verständlich und nachvollziehbar, schildert Wolfe die Entwicklung Eugene Gants, der seine Familie und sein gewohntes Umfeld verlässt, um an der Harvard Universität zu studieren. Mit diesem Abschied beginnt seine rastlose Suche nach dem Sinn des Lebens, den er auch nach dem Studium sowie der Beschäftigung mit Philosophie und Literatur nicht finden kann. Auf einer Reise nach Europa, besonders während seines Aufenthalts in Paris, versucht er alles, was das Leben zu bieten hat, kennenzulernen, auszuprobieren und dauerhaft umzusetzen, um der Lösung seiner Sinnfrage näher zu kommen, was ihm aber letztlich nicht gelingt. Sein Wissensdrang, seine Sehnsucht nach Freundschaft und Liebe werden zwar durch Enttäuschungen, Selbstzweifel, seelische Verletzungen und Angst vor persönlicher wie gesellschaftlicher Stagnation z.T. massiv gestört, seine ungebrochene Lebenslust und ein unbedingtes Ja zum Leben dominieren jedoch sein Denken und Handeln. - Eine hinsichtlich Konzentration und Ausdauer anspruchsvolle, aber bereichernde Lektüre! (Übers.: Irma Wehrli)