Unverschwunden

Der Protagonist dieses Romans mag als Alter Ego des Schweizer Autors gelten: Lukas Cadisch, ein erfolgreicher Schweizer Schriftsteller aus dem Graubünden, der vom Gefühl einer Unzugehörigkeit, von der Wahrnehmung des Aus-der-Welt-Seins überwältigt Unverschwunden wird. So findet er sich eines Tages als "Unverschwundener", jemand, der von der Welt um ihn her nicht mehr wahrgenommen wird, sich durch diese Welt aber weiter bewegt auf der Suche nach ebenfalls "Unverschwundenen". Der Erzähler bricht wie aus einer reifen Frucht immer neue Bekenntnisse seiner Figur über gescheiterte Liebschaften, Skrupel des Unsichtbaren über sein Eindringen in die Räume und Intimitäten anderer und über Naturereignisse in den Schweizer Alpen für den Leser heraus. Seit dem "Verschwinden" an einem 4. Mai vergehen beinah zwei Jahre, in denen sich die Suche nach Mit-Verschwundenen (die Polizei sucht nach 39 Personen) abspielt, die Annäherung an das Elternhaus, in dem der demente Vater schließlich stirbt und nach einem Ort für seine Existenz des "Unverschwundenen". Die mit Naturschilderungen angereicherte, ansonsten knapp und holzschnitthaft gehaltene Erzählweise (den Krimis des Autors entnommen) mag den anspruchsvollen Leser nicht immer begeistern und das süßlich kitschige Ende in der Begegnung mit einem missbrauchten Mädchen, das ebenfalls "unverschwunden" ist, mögen Vorbehalte wecken. Durch seine spannungsgeladene Dramaturgie, mit Einblicken in die Schweizer Gesellschaft und den glaubhaft verstörenden Seelenzustand der Hauptfigur erweckt der Autor Aufmerksamkeit und Miterleben des Lesers. Wem die doch recht fantastisch unlogische Konstruktion des "Unverschwundenen" nicht stört, wird ein packendes Lesevergnügen finden: Empfehlung für alle Bestände.

Helmut Krebs

Helmut Krebs

rezensiert für den Borromäusverein.

Unverschwunden

Unverschwunden

Philipp Gurt
emons: (2021)

297 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 603175
ISBN 978-3-7408-1122-8
9783740811228
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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