Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder
Sein Schreiben orientiert sich an einem denkbar einfachen Motto: "Erzähle so einfach wie möglich und so dramatisch oder poetisch wie möglich." Das literarische Werk von Dino Buzzati (1906 - 1972) scheint sich auch an diesem Motto auszurichten, aber im Verlauf der Lektüre entdeckt der Leser bald, dass die einfache Erzählweise nur eine Hinführung zu Geschichten ist, die alles andere als leicht durchschaubar sind. Buzzati beginnt immer mit ganz alltäglichen, wenig spektakulären Situationen, die dem Leser sehr vertraut vorkommen. Und als jahrzehntelanger Journalist beim Mailänder "Corriere della Sera" weiß der Autor auch, was seine Leser so interessiert. Irgendwann im Verlauf der Geschichte öffnet sich hinter dem Alltäglichen eine ganz andere, unheimliche Welt, den Horror eingeschlossen. Der Schriftsteller, so war es immer die Meinung von Buzzati, hat die Welt nicht nur so zu beschreiben, wie sie ist, sondern er muss tiefer schauen, muss das Phantastische, auch Unheimliche als Anstoß seines Schreibens akzeptieren. Tagsüber, in seinem Brotberuf, war Buzzati Journalist und fühlte sich der Genauigkeit und den Tatsachen verpflichtet. Jenseits der Redaktion aber, vielleicht auch als Ablenkung von der Chronologie, schrieb Buzzati dann seine skurrilen, oftmals unheimlichen Erzählungen. Geschrieben bereits in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, sind diese Erzählungen immer noch von einer erstaunlichen Aktualität und Frische. In Italien gehören Texte von Buzzati zum Schulkanon, bei uns gilt er merkwürdigerweise immer noch als Geheimtipp von Experten. Das sollte anders werden!
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder
Dino Buzzati
Wagenbach (2011)
Salto ; 179
139 S. : Ill.
fest geb.