Sünde
England, 16. Jh.: Die 14-jährige Waise Anna Owen wird nach einem Brotdiebstahl dazu verurteilt, Sündenesserin zu sein, d.h., die Beichte von Sterbenden zu hören und für jede Sünde eine festgesetzte Speise zu sich zu nehmen. Damit kann der Sterbende ohne Sünde vor Gott treten. Sie aber wird durch ein Halseisen und das eingebrannte S auf der Zunge gebrandmarkt und von allen Menschen als Sündenesserin erkannt, die von niemandem angeschaut oder gar berührt werden darf. Sie ist eine Geächtete, die aber gebraucht wird. M. Campisi lässt Anna erzählen, wie sie als Sündenesserin in Intrigen am Hof der jungfräulichen Königin Bethany hineingezogen wird und dabei in Lebensgefahr gerät. Sündenesserinnen habe es gegeben, Handlung und Personen seien aber Fiktion, wird in der Einleitung betont. Doch führt die Veränderung der Namen nicht zur Aufhebung der Nähe zu den Tudors: Königin Maris – Maria die Blutige, die jungfräuliche Bethany – Elisabeth I., Harold – Heinrich VIII. … Anna nicht bekannte Personen erhalten von ihr kindliche Namen nach besonderen Merkmalen: Breigesicht, Blondhaar, Schwarzfinger … - alle Personen sind sehr eindimensional gezeichnet, eine Eigenschaft wird immer wiederholt. Dazu Armut, Schmutz, Grausamkeit, Aberglaube – die Charakterisierung des Mittelalters und der Neuzeit in vielen Romanen. Ständige Wiederholungen auch in der Beschreibung von Orten und Szenen. Ein historischer Roman unter vielen anderen ohne echten Tiefgang, leichte Unterhaltung mit sehr schiefem Geschichtsbild.
Barbara Schürmann-Preußler
rezensiert für den Borromäusverein.
Sünde
Megan Campisi ; Deutsch von Leena Flegler
Limes (2023)
316 Seiten
fest geb.