Niedergang

Noch unmittelbar vor seinem Sturz in den Tod fühlt André sich "ungeschlagen": "Wie ein Gott saß er da und schaute auf die Welt hinunter" (S. 177). Zwar hat er in einer ebenso rätselhaften wie verzweifelten Willensanstrengung den Gipfel bezwungen, Niedergang aber dem Leser ist - dank der raffinierten erzählerischen Dramaturgie des jungen Schweizer Autors - längst die Ausweglosigkeit der Lage klar. In der Extremsituation zeigt sich, wie oberflächlich die Beziehung zwischen André und seiner anfänglichen Begleiterin Louise wirklich ist. Eben hatten sie sich noch geliebt. Kurz darauf hatte sie sich, cool und in nüchterner Einschätzung der Situation, alleine auf den Rückweg gemacht. Über ihren Abstieg verliert der Erzähler fortan kein weiteres Wort. Es interessiert nur noch das Schicksal Andrés. Halb aus Verbohrtheit und Trotz, halb aus männlicher Selbstüberschätzung will er sich und seiner wankelmütigen Gefährtin beweisen, dass er die monatelang vorbereitete Tour auch ohne ihre Hilfe bewältigen kann. - Ein Bergsteigerroman also, atmosphärisch dicht, hyperrealistisch, ohne kitschige Romantisierung, aber durchaus tiefgründig: Am Berg offenbart sich der wahre Charakter der Menschen und demjenigen, der sich über die Natur erheben will, zeigt sie mitleidlos seine Grenzen auf. Ein sprachliches Meisterwerk auf alle Fälle, das den schicksalhaften Aufstieg und Niedergang seines Helden absolut fesselnd beschreibt.

Niedergang

Niedergang

Roman Graf
Knaus (2013)

204 S.
fest geb.

MedienNr.: 389414
ISBN 978-3-8135-0566-5
9783813505665
ca. 17,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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