Ein Tor zur Welt
Es ist die Zeit kurz nach 9/11. Die 20-jährige Tassie Keltjin, ein aufgeschlossenes, aber etwas blauäugiges Mädchen aus dem Mittleren Westen der USA, ist für ihr Studium in die Stadt gezogen und sucht nun nebenbei einen Job als Babysitterin. Engagiert wird sie von Sarah und Edward, einem Ehepaar der gehobenen Mittelschicht, die dabei sind, ein dunkelhäutiges Mädchen zu adoptieren. Von Anfang an wird Tassie in die entstehende Familie eingebunden: Sie ist bei den Gesprächen mit der Adoptionsbehörde dabei, nimmt später an den multiethnischen Erziehungszirkeln teil, wird für die kleine Mary wie für die oft beschäftigte und etwas exzentrische Sarah eine wichtige Bezugsperson. Einerseits lassen diese Herausforderungen Tassie wachsen, andererseits nimmt sie nie wirklich wahr, was um sie herum passiert und betrachtet die Welt weiterhin aus ihrer naiven Perspektive. So fällt ihr auch nicht auf, dass sich ihr Freund zum Islamismus hingezogen fühlt. Oder dass ihr Bruder sie dringend als Ratgeberin bräuchte. Oder dass Sarah und Edward alles andere als eine modern-harmonische Ehe führen. Als plötzlich alles um sie zusammenbricht, kehrt Tassie verletzt, aber auch ernüchtert über die Ferien zu ihren Eltern zurück. Hier wird ihr allmählich bewusst, dass das Erwachsenwerden nicht nur buntes Abenteuer ist, sondern auch langsam, beschwerlich und schmerzhaft sein kann. Und dass es sich dennoch lohnt, sich eine gute Portion Naivität aus der Kindheit dorthin zu retten. - Ein wunderschön und subtil erzählter Roman über das Erwachsenwerden in einer Welt, die selbst nicht weiß, wo es hingeht. (Übers.: Frank Heibert und Patricia Klobusiczky)
Dagmar Wolf
rezensiert für den Borromäusverein.
Ein Tor zur Welt
Lorrie Moore
Berlin Verl. (2011)
381 S.
fest geb.