Der Pfandleiher

Der schon 1961 erschienene Roman des früh verstorbenen amerikanischen Autors erzählt vom Schicksal eines polnischen Juden, vormals Dozent an der Universität Krakau, derzeit Pfandleiher in Spanish Harlem. Schematisch und mitleidlos fertigt er die Der Pfandleiher hoffnungslosen Kreaturen ab, die Tag für Tag ihre Habe bei ihm versetzen. Davon wird in enervierender Drastik und Ausführlichkeit erzählt. Dass der Löwenanteil seiner Einkünfte aus der Zusammenarbeit mit Kriminellen stammt, belastet Sol Nazerman nicht. Sein Wertesystem hat sich verschoben angesichts des Grauens, das er vor nicht allzu langer Zeit erlebt hat. Seine ganze Familie, Frau, Kinder und Eltern, waren in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet worden, während er selbst mit dem Leben davongekommen ist. Von diesem Schicksal zutiefst traumatisiert, immer wieder von grauenhaften Angstträumen gequält, funktioniert er nur noch, ist innerlich erstarrt, zu keiner Empathie fähig. Ausgerechnet ein von seinem jungen Mitarbeiter geplanter Überfall auf seine Pfandleihe, bei dem dieser erschossen wird, löst seine innere Erstarrung: "... er begriff, dass er jetzt um alle seine Toten weinte, dass alles unterdrückte Weinen freigesetzt worden war durch den Verlust eines einzelnen unersetzlichen schwarzen Jungen, der sein Gehilfe gewesen war, der ihn hatte umbringen wollen und ihm am Ende des Leben gerettet hatte." (S. 347) Ein bewegender, auch sprachlich eindringlich geschriebener Roman, der auf unpathetische Weise nachvollziehbar macht, welche furchtbare Hypothek Überlebende des Holocaust tragen mussten. Auch heute noch, mehr als 50 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Romans, lesenswert, als Zeitdokument und als feinfühlige Charakterstudie. (Übers.: Barbara Schaden)

Der Pfandleiher

Der Pfandleiher

Edward Lewis Wallant
Berlin-Verl. (2015)

348 S.
fest geb.

MedienNr.: 583642
ISBN 978-3-8270-1183-1
9783827011831
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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