Der Tod als Erlösung vom Leiden
Dieses aspektreiche Buch, eine überarbeitete medizinische Habilitationsschrift, wendet sich dem seit dem 19.Jahrhundert vieldiskutierten und heftig umstrittenen Thema der Sterbehilfe ("Euthanasie") zu. Der Autor ist zunächst an einer verlässlichen historischen Darlegung der Auffassungen von Sterbehilfe interessiert, belässt es aber nicht dabei, sondern hat auch stets die damit unauflöslich verbundene ethische Dimension im Blick. Sehr gründlich beschäftigt er sich mit der Euthanasie während der Zeit des Nationalsozialismus und beschreibt dazu auch verschiedene Einzelschicksale. Die damit verbundene Grausamkeit, Gefühlskälte und die Argumentation der Nazis kann er zu Recht nur als Mord und Verbrechen bezeichnen. Aber er wehrt sich auch dagegen, alle späteren Begründungen der Sterbehilfe nur deshalb abzulehnen, weil die Nationalsozialisten Euthanasie gerechtfertigt hätten. Dennoch lehnt er auch heutige Argumentationen für Sterbehilfe ab, z. B. mit der Begründung der Selbstbestimmung oder der Erlösung von Leid, da sie einen Eingriff in das menschliche Leben bedeute, von dem wir auch heute nicht in jeder Beziehung wissen, was es ist und was es bedeutet. "Die Antwort der Gesellschaft angesichts des Leidens kann nur eine Antwort der Solidarität sein, die auch im Sterben auf der Seite des Lebens steht. Das schließt ein gesellschaftlich legitimiertes Tötungsangebot aus." Mit diesen Gedanken kommt er auch den traditionellen Argumentationsformen der katholischen Moraltheologie nahe, ohne im Detail näher darauf einzugehen. Mindestens indirekt ist er aber dem Rat seiner elfjährigen Tochter Sarah gefolgt, die er im Vorwort zitiert: "Du solltest Gott mehr einbeziehen. Selbstmord ist ja auch ein Mord, und das soll nicht sein". Empfehlenswert ist das solide Buch für alle an der Frage historisch und ethisch interessierten Leser(innen).
Werner Trutwin
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Tod als Erlösung vom Leiden
Gerrit Hohendorf
Wallstein (2013)
327 S.
fest geb.