Reise ins Innere der Stadt
Wenn Mensch und Tier in der Stadt aufeinandertreffen, kommt es nicht selten zu Konflikten: wer stellt eine Bedrohung dar, wer nützt, wer schadet, wer darf bleiben? Die in diesem Buch versammelten Szenen stellen unser gewohntes Verhältnis zu Tieren auf den Prüfstand. Denn hier leben Rehe in Hochhäusern und blicken auf das Straßennetz der Metropole, Firmenmitarbeiter verwandeln sich in Frösche, Fische werden am Himmel geangelt. Nutz- und Wildtiere verändern ihre Bedeutung für uns und entwickeln ein Eigenleben, das auf ihre Individualität zurückzuführen ist. Die Texte, seien es knappe Gedichte oder längere, voltenreiche Essays, sind von Geheimnissen getragen und erzählen von einer anderen, tieferen Wirklichkeit, für die der Stadtbewohner keine Wahrnehmung mehr hat. Das ist nicht immer leicht zu lesen und dürfte für Kinder (auch durch das ausgefeilte Vokabular) oft zu anstrengend sein. Die zahlreichen großformatigen Bilder laden zu einer Lektüre ganz anderer Art ein. Hier darf sich ein Zauber entfalten, der im Zwischenreich von Wirklichkeit und Traum beheimatet ist. Es sind farbenprächtige, perfekt komponierte surreale Szenen, die sehr viel poetischer als die Texte gefasst sind und ihre Geheimnisse tief in unseren Großstadtalltag hineintragen können.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Reise ins Innere der Stadt
Shaun Tan
Aladin (2018)
282 S. : zahlr. Ill. (farb.)
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 10