Ohnegrund
Amy, eine englische Jüdin, entflieht ihrem eigenwilligen Elternhaus durch einen Studienaufenthalt in Israel. Dort lernt sie Nimrod, einen Psychologiestudenten, kennen. Idealistisch engagiert er sich und bekocht Fremde und Freunde. Amy heiratet ihn überstürzt und ohne ihre Familie zu informieren. Bald ist Töchterchen Sharona unterwegs. Erst danach kommt es zu einer kritischen Begegnung mit ihren Künstlereltern. Amy fühlt sich wohl in einer zutiefst bürgerlichen und in die religiöse Tradition eingebundenen Familie, bis Nimrod beschließt, als Sozialarbeiter für in Indien gestrandete Israelis tätig zu werden. Und dort seit einer Unwetterkatastrophe verschollen ist. Amys Geschichte kommt erst zehn Jahre später - wieder im elterlichen Haus - zum Vorschein, als Sharona eine merkwürdige Vorstellung vom Verlust ihres Vaters entwickelt. - Der Autorin geht es darum, schwierige Sozialstrukturen aufzudröseln, indem sie die verquere Weltsicht eines Schulmädchens benutzt, um die nicht weniger eigenartigen Lebenserfahrungen einer gerade 20-jährigen jüdischen Frau zu erhellen, ihren unendlichen Gewinn an Lebenszuversicht und den gnadenlosen Verlust. In Meixners Roman steckt über das mitleiderregende Schicksal hinaus ein Problem des jüdischen und damit israelischen Familienrechts. Da Amy zwar ihren Mann verloren hat, dessen Tod aber nicht bezeugt ist, bleibt es ihr verwehrt, sich wieder zu verehelichen. Das beigefügte Glossar ist sehr hilfreich, um die reichlichen hebräischen Begriffe zu verstehen, ersetzt allerdings nicht Vorkenntnisse des jüdischen (Familien-)Rechts. Darum eher für Leser/innen mit besonderem Interesse für Israel.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ohnegrund
Schulamit Meixner
Picus-Verl. (2012)
191 S.
fest geb.