Weiher unter Eis
Agnes, 83-jährig, findet sich auf der Suche nach einer Zahnarztpraxis plötzlich nicht nur an einem längst vergessenen Ort, sondern auch in einer schmerzlich verdrängten Zeit ihrer Jugend wieder. Sie durchlebt noch einmal mit allen Fasern ihres Leibes jene Herbsttage, die für sie die Schwelle zur jungen Frau bedeuteten. Lang unterdrückte Wut bricht sich Bahn; jene Wut gegen Attilio, einen jungen Italiener, der sie zu vergewaltigen versuchte. Aber auch jene Wut gegen ihre eigenen Verwandten, die ihre innig geliebte Urgroßmutter ohne Zuneigung, Güte und all zu oft mit unmäßiger Ungeduld, behandelten. Schlüssel zu dieser heilsamen Rückblende wird der kleine Weiher im Garten des Ferienhauses. - Yvette Z'Graggen inszeniert mit diesem Roman eine psychotherapeutische Lebensrückblende, der man sich als Leser emotionell nur schwer entziehen kann. Die "Heldin" nimmt einen mit auf die gewagte Reise in ihre persönliche Vergangenheit und bricht selbst das Eis jenes Weihers, der Sinnbild aller Ungerechtigkeiten und schmerzvollen Ereignisse ist. Das Buch ist inhaltlich sicher keine leichte Lesekost, besticht aber durch einen brillant klaren Erzählstil der äußeren wie inneren Handlungen. Sehr empfehlenswert. (Übers.: Markus Hediger)
Gerda Harprath
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Weiher unter Eis
Yvette Z'Graggen
Lenos (2006)
134 S.
fest geb.