Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch
Unter einem Weltuntergang macht es die zukunftsbewusste Gegenwartsliteratur nicht. Neben Steinaeckers "Verteidigung des Paradieses" (in diesem Heft) steht Michelle Steinbecks Romandebüt auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Es ist eine Geschichte, der man sich mit einer an realistischen Romanen geschulten Wahrnehmung besser nicht nähert. Die Heldin macht sich mit einem Koffer auf die Flucht, darin ein erschlagenes Kind. Auf dem Weg zu ihrem Vater erlebt sie allerlei Katastrophen und phantastische Begegnungen. Es ist eine Welt der Jungen, in der die Geschichte spielt, eine Welt, in der kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist und deren Sinn man nicht finden, nur rauben kann. Hinter den manchmal schockhaften Szenen stehen archetypische Bilder (vom Vater, von einer Wahrsagerin, von Familie und Stadt), unter der glasklaren Sprache rumort es ständig. Das Erwachsenwerden, ein Horror: "Das Haus brennt, und ich muss meinen Bruder retten. Man will uns erschießen ...". Panisch und komisch zugleich lässt Steinbeck ihre Figur durch eine babylonische Geschichte irren. Keine leichte, wohl aber lohnende Lektüre.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch
Michelle Steinbeck
Lenos (2016)
153 S.
fest geb.