Meine Krönung

Der alternde Wissenschaftler und seine Haushälterin: das ist eine aus Elias Canettis Erstlingswerk "Die Blendung" (1936) vertraute Situation. Was macht die französische Autorin Véronique Bizot daraus, von der man nicht viel mehr weiß, als dass es einige Novellen von ihr gibt? "Meine Krönung", in Frankreich 2010 mit dem Grand Prix du Roman ausgezeichnet, ist eine freundliche Satire über einen Physiker namens Kaplan, dem im hohen Alter - er ist fast neunzig - eine bedeutende Ehrung zuteil wird. Sie gilt einer früheren Entdeckung, die heute viele Menschen von einem Übel erlöst. Doch der Witwer im Ruhestand hat keine Ahnung mehr, worum es geht, statt des großen Ganzen erfasst sein Gedächtnis nur mehr die vielen Details seines Laborlebens, auch die Vorbereitungen zur Preisverleihung bleiben im Vagen. Allein seine Haushälterin Madame Ambrunaz, ein Schlachtross für diesen Don Quichotte der Wissenschaft, bewahrt den Überblick. Sie führt ihn mit Linsengerichten und Liebenswürdigkeit durch die Zumutungen der Interviews, Fototermine und Verpflichtungen, die eine solche Ehrung mit sich bringt. Eine im Grunde komödienreife Ausgangssituation, der die Autorin viele ironische Episoden abgewinnt, empathisch und pointiert erzählt, ohne ihren Figuren jemals in den Rücken zu fallen. Unnachahmlich, wie der nach einem harmlosen Schwächeanfall im Bett liegende Physiker den über ihm wohnenden Doktor Manière empfängt, der noch älter ist, an Schlaflosigkeit leidet und es sich gleich im besten Sessel bequem macht mit der Bemerkung: "Ich bin Gerichtsmediziner, ich behandle nicht." Kein Zweifel, auch der kauzige Kaplan ist ein alter "König in seinem Exil". Am Ende geht nichts in Flammen auf wie bei Canetti, der Schluss ist unsentimental und trotzdem von einer Art Altersmilde, die das Lesen zu einem wahren Genuss macht. Ein Schmuckstück, allen Beständen ans Herz zu legen. (Übers.: Tobias Scheffel, Claudia Steinitz)