Die undankbare Fremde
Das ersehnte "Traumland" Schweiz wirkt auf die 1968 aus der CSSR emigrierte Ich-Erzählerin zunächst ernüchternd. Denn die während ihrer Registrierung im Flüchtlingslager als "Verstümmelung" empfundene Verunstaltung ihres Namens weckt Misstrauen und fördert Ressentiments. Obwohl sie und ihre Familie bald schon sozial abgesichert sind, hadert die "undankbare Fremde" mit ihrem Schicksal. Der sie beherrschende "Groll gegen das Unvertraute" äußert sich in ironischer, auch zynischer Kommentierung eines Lebensstils, der aus ihrer Sicht darauf ausgerichtet ist, "die Oberfläche ... hochpoliert zu halten." Erst nach Jahren wird der von Irena Brezna (Jahrgang 1950) einfühlsam porträtierten Protagonistin bewusst, dass ein auf "Abstand" orientierter Umgang miteinander auch vorteilhaft sein kann. Indem sie die sich ergebenden Freiräume nutzt, gelingt es ihr, die eigene Unabhängigkeit zu bewahren. Da die junge Frau als Dolmetscherin in Flüchtlingsangelegenheiten tätig ist, wird der Leser in kursiv gedruckten Berichten mit Schicksalen konfrontiert, in denen sich Angst, Enttäuschung, aber auch Hoffnung vereinen. Insofern stimmt der psychologisch fundierte Roman der in der Schweiz lebenden Autorin zuversichtlich. Auch deshalb ist er zu empfehlen.
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die undankbare Fremde
Irena Brezná
Galiani (2012)
140 S.
fest geb.